Der Garde aus Bratislava

Das erste in Serie produzierte Personenkraftfahrzeug der Slowakei

Am Freitag, dem 30.April 1982 kamen in der Halle des Karosserie-Montagewerkes in Bratislava / Devínska Nová Ves die Repräsentanten vom Automobilwerk Bratislava (Bratislavské Automobilové Závody – BAZ) zu einem feierlichen Anlass zusammen: Das erste hergestellte Fahrzeug des neuen Škoda Garde wurde präsentiert. Damit vollendeten sie ihre Mühe um die Einführung der Produktion von Personenkraftwagen im Bratislava. Doch der Weg zum ersten Fahrzeug war nicht einfach, die Mitarbeiter der BAZ mussten die damit verbundenen Probleme buchstäblich im Laufschritt lösen.

Die Entstehung der Fabrik geht auf einen Beschluss der damaligen Regierung der CSSR vom 1.Juli 1971 zurück. Bis 1980 konnte die BAZ kein eigenständiges Produktionsprogramm entwickeln, daher schlossen die Führung der AZNNP Mladá Boleslav (Škoda) und BAZ Bratislava einen Vertrag über die jährlichen Produktion von 80.000 Limousinen und 17.000 Coupés. Der Produktionsanfang war für Dezember 1981 geplant, bis Ende des Jahres sollten die ersten 100 Fahrzeuge gebaut werden. Die Realität war jedoch eine ganz andere.

BAZ beteiligte sich im Rahmen des Vertrages bereits an den Entwicklungsarbeiten des neuen Fahrzeugtyp Š 743, der unter dem Handelsnamen Garde in der CSSR angeboten wurde. Es wurden einige Prototypen gebaut, einerseits für den Bedarf von Mladá Boleslav, aber auch für den eigenen von BAZ. Die Montage des  Garde sollte zwar in den beiden Werken Kvasiny und Bratislava zeitgleich 1981 beginnen, den geplanten Produktionsanlauf schafften aber nur die Mitarbeiter im Norden Tschechiens. Die westslowakischen Automobilbauer mussten ihren Plan auf das nächste Jahr verschieben.

Schließlich konnten die Repräsentanten der  Mototechna (inländischer Distributor von Kraftfahrzeugen, Ersatzteilen und Fahrzeugzubehör) erst am 1.Mai 1982 die ersten 61 slowakischen Škoda Garde die für den offenen Markt bestimmt waren übernehmen, . Mehr als die Hälfte war im Laufe einer Woche verkauft und das nur von einer einzigen Verkaufsstelle in Bratislava. Auch die weitere Produktion war für Bratislava gedacht, erst später sollten die weiteren Städte der Slowakei and die Reihe kommen.

Die an dem neuen Automobil interessierten Käufer konnten ihren Garde für 78.000,- Kčs kaufen. Im Preis waren zum Beispiel automatische Sicherheitsgurte vorne und eine Blechdose mit Ersatzlack für kleinere Reparaturen bei Lackschäden enthalten. Für den Aufpreis von 470,- Kronen gab es ein schwarz lackiertes Dach im Angebot oder auch Dachsäulen, die bis zu der unteren Fensterlinie schwarz lackiert waren, sowie eine schwarz Lackierte Oberkante der Kotflügel. Die angebotene Farbskala bestand aus vier Lacktönen:  hagebuttenrot (8125), champagnerbeige (2021), weiß (1001) und olivgrün (5225). Es wurde damals eine einjährige Gewährleistung eingeräumt.

In Bratislava montierte Fahrzeuge waren baugleich mit jenen aus dem Werk Kvasiny, der Unterschied bestand nur in einem Fabrikslogo in der Mittelkonsole und in der Seriennummer der Karosserie. Fahrzeuge aus Werk Kvasiny hatten eine Karosserienummer beginnend mit der “5”, Gardes von Bratislava verließen das Band mit der Nummer “7”. Die in Bratislava hergestellten Karosserien wanderten zuerst nach Mladá Boleslav, wo sie mittels Elektrophorese grundiert wurden.

In Devínska Nová Ves kam es dann zur Montage von Motor, Kupplung, Getriebe und der Vorderachse, die ebenfalls aus Mladá Boleslav stammten und der weitern Ausstattung der Karosserie. In Bratislava wurden weitere Komponenten für die ganze Produktion des Garde gefertigt z.B. die komplette hintere Achse, Lenksäule, Türscharniere, Tankstutzen usw.

Trotz späterem Produktionsanlauf überholte der Garde aus Bratislava in punkto Qualität die Fahrzeuge aus dem Werk Kvasiny und errang die erste Qualitätsstufe (laut dem Staatsprüfamt der Tschechoslowakischen Automobilwerke). Dieses Qualitätsniveau konnten jedenfalls beide Werke nicht lange halten und sanken auf die Stufe drei.

In weiterer Folge war BAZ mitbeteiligt an der  Modernisierung des Typ Š 743, dessen Ergebnis war auf der eine Seite das neue Coupé  Rapid, aber auf der anderen Seite auch ein Paar interessanten Prototypen, die vor allem auf die Änderung der Antriebskonzeption ausgelegt waren. So entstand zum Beispiel das Coupé namens „Locusta“, dessen Dreitürige Karosserie, ein vorne eingebautes Aggregat aus dem Fiat 128 verbarg. Die Verwendung des Fiat Motor war eine Notlösung, da das neue Aggregat  Š 780 (für den zukünftigen Škoda Favorit ) noch nicht vollendet war.

Von Mai 1982 bis zum Ende des Jahres 1987 vollendeten die Bratislava Automobil Werke letztendlich 3480 Fahrzeugen Garde sowie Rapid. Diese Zahl nähert sich natürlich bei weitem nicht der geplanten jährlichen Produktion von 17.000 Einheiten an. Kasiny setzte die Produktion des Typs Rapid bis zum Anfang 1990 fort.

Der Škoda Garde sollte an die Sporterfolge seines Vorgängers anknüpfen, des Coupé 110 R

und vor allem des Rallye- und Rennwagens Škoda 130 RS, dem der Garde einige Elemente des Fahrwerks verdankte. Ob er die Erwartungen seiner Erschaffer, des Fachpublikums oder auch der breiten Motor-Öffentlichkeit erfüllte, dass bleibt der subjektiven Meinung jedes einzelnen Freundes der Marke Škoda – BAZ überlassen. Jedenfalls war der Garde, was die Innenausstattung und die Fahreigenschaften angeht, in seiner Zeit eines der besten Fahrzeuge am Tschechoslowakischen Markt.  Und die Exemplare aus Bratislava bewiesen dazu, dass auch in der Slowakei die Serienproduktion von Fahrzeugen erfolgreich beherrscht wurde.

 

Autor:  Rastislav Kysucký